Der LÖWE hat und übernimmt die Aufgabe, für den Fortbestand seines Rudels zu sorgen. Allerdings tut er das in sehr widersprüchlicher Weise, man könnte auch sagen, halbherzig. Seine diesbezüglichen Aktivitäten begrenzen sich auf die Abwehr der Feinde von Außen und die Weitergabe seiner Energie für das Entstehen von Nachwuchs. Das war's dann aber auch schon. Für die tägliche Stillung des Hungers der Sippe mit meist mehreren Löwinnen und entsprechend vielen Löwenbabys ist er nicht zuständig, im Gegenteil. Den Fang eines fetten Gnus oder Zebras, überlässt er der Löwin, während er im Savannengras döst, besteht aber - wenn notwendig mit entsprechender Aggressivität - darauf, als erster von der Beute zu fressen, wobei er sich die Filetstücke unter die Zähne reißt, und erst freie Bahn gibt, wenn er gesättigt ist. Dann müssen sich Löwinnen und Nachwuchs mit dem Rest begnügen. Der LÖWE ist also nicht anderes als ein animalischer Trittbrettfahrer, der von dem Erfolg ander zehrt, ihn für sich beansprucht, so dass für die anderen nur "Haut und Knochen" bleiben.
Klar, was hier gemeint ist. Der LÖWE ist das EGO des Menschen. Nicht, dass dieses EGO nicht wichtig wäre. Es garantiert uns inmitten der Gesellschaft von Abermillionen Mit-EGOs das Überleben, die Entfaltung unserer Talente und die Bewahrung unseres "Menschseins." Doch wie der LÖWE, so ist auch das EGO ein ambivalentes Ding. Um seinen täglichen Hunger zu stillen, nimmt es alles mit, was sich ihm in den Weg stellt - ob nun "mein" oder "dein", von anderen erbeutet, gefunden oder erfunden, ob beteiligt oder dösend unbeteiligt. Es wird zuerst gefressen - und wehe ihm kommt jemand dabei in die Quere.
Dass das EGO - also mein und dein eigenes ICH - dabei sukzessive auch sich selbst frisst und verzehrt - ist (isst) ihm dabei nicht bewusst. Denn das EGO ist leider von seiner "Natur" her blind. Blind für die Situation um sich herum, blind für den anderen, blind - und das ist das Verheerendste - für sich selbst und für das SELBST. Frisst der LÖWE das Gnu, wird dieses letztlich Teil des LÖWEN, und dieser wächst und wächst und pflanzt sich fort und fort. Könnte aber das Gnu den LÖWEN fressen, was in der Natur und im Animalischen so gut wie unmöglich ist - würde der LÖWE, der Todfeind, nicht nur selbst tot sein, sondern Teil des Gnus werden.
Im menschlichen Bereich soll diese Transformation tatsächlich möglich sein, wie man immer wieder hört. Denn während das Tier, der LÖWE, instinktgesteuert ist, ist der Mensch von seinen Trieben gesteuert und abhängig. Gegen Instinkte kann man sich nicht wehren. Die sind so eine Art Automatismus. Menschliche Triebe aber sind beherrschbar. Zwar ist es wichtig, die Triebe und auch den am Ende stehenden Tod anzuerkennen und zu bejahen. Aber das ICH, das EGO ist den Trieben nicht hoffnungslos ausgesetzt. Es kann, wenn es denn will, NEIN sagen zum Geltungstrieb, zum Sexualtrieb, zum Fresstrieb, zum Vergnügungstrieb, zum Kapital-Trieb, zum Ausbeutungstrieb, zur "sofortigen" Triebausübung, und so weiter.
Doch der Weg zu diesem WOLLEN hängt mit der Anerkennung des eigenen physischen Todes, also mit der Endlichkeit unseres Lebens, und dem "schleichenden" Tod des eigenen EGOs während des physischen Lebens zusammen. Der jüdische Theologe Martin Buber sagte einst, "Das ICH erkennt sich nur durch das DU". Ohne den Spiegel, den uns der Mitmensch entgegenhält - vorausgesetzt wir haben den Mut, auch in selbigen zu schauen - wird es jedoch nicht gehen. Zur zugelassenen Kritik von Außen sollte sich auch noch die Eigenkritik gesellen, so eine Art täglicher Seelenhygiene, der ich mich selbst unterwerfe.
Zu alledem braucht man nicht unbedingt ein Christ, ein Jude, ein Muslim, ein Buddhist oder überhaupt ein religiöser Mensch zu sein. Wenngleich es eine Sequenz aus den Gesprächen des Jeshua (griechisch: Jesus) Ben Joseph, dessen Historizität nachgewiesen ist (auf dem Konzil von Nizäa 325 n. Chr., wurde er auf Geheiß des römischen kaisers Konstantin zum GOTT erklärt) mit seinen Zuhörern gibt, die aber von den Kirchenvätern und der Kirche bis heute nicht in den Kanon des Neuen Testaments aufgenommen worden ist. Da heißt es: "Gesegnet ist der Löwe, wenn ein Mensch ihn isst; so dass der Löwe Mensch wird. Verdorben ist der Mensch, wenn ein Löwe ihn ist, so dass der Mensch Löwe wird." (Logion 7 des Thomasevangeliums)
Die alten Schriftrollen dieses "Evangeliums des Thomas" wurden Mitte des 20.Jahrhunderts nahe der ägyptischen Stadt Nag Hammadi wieder gefunden. Ihr Inhalt (es handelt sich allein um Aussagen des Jeshua, keine Handlung oder dergleichen) war den hohen Bischöfen vor 1700 Jahren nicht unbekannt. Aber in die Bibel wollten sie diese dann doch nicht aufnehmen. Die KIRCHE hat sich zu einem gefräßigen Löwen entwickelt, einem ÜBEREGO, das nimmt, was ihm nicht gehört und sehr reich geworden ist. Sie hat in der Tat mit dem "Jeshua Ben Joseph" rein gar nichts zu tun.
Aber zurück zu MIR und dir: Ich will es mal ein wenig salopp formulieren: Lassen Sie uns selbst auf Löwenjagd gehen und die Beute nicht mehr von anderen fangen lassen, um sie dann für uns zu beanspruchen.
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